Hamburg muss sich für das Flächenmodell entscheiden
Die Reform der Grundsteuer befindet sich auf der Zielgeraden. Die Bundesländer können eigene Regelungen aufstellen.
Die Zeit drängt. Bis Frühherbst muss die Bundesregierung eine Reform der Grundsteuer auf den Weg gebracht haben, damit diese Anfang 2020 in Kraft treten kann. Geschieht das nicht, entfällt die Steuer. Das brächte den Gemeinden große Probleme. Immerhin kommen die Einnahmen allein ihnen zu Gute. Gegenwärtig sind das rund 14 Milliarden Euro pro Jahr, die für Straßen, Strom- und Wasserleitungen oder Kinderspielplätze ausgegeben werden.
Die Grundsteuer muss reformiert werden, weil das Bundesverfassungsgericht im April 2018 die bisherige Berechnungsgrundlage als verfassungswidrig einstufte und die Neuregelung bis Ende dieses Jahres forderte. Auf deren Grundlage müssen dann die Grundstücke bis Ende 2024 neu bewertet werden. Die Bundesrichter störten sich an den „alten“ Grundstückswerten, weil sie im Westen Deutschlands aus den 50er Jahren und in den ostdeutschen Bundesländern aus den dreißiger Jahren stammten.
Allerdings versprachen die Politiker von Union und SPD, die Reform angesichts deutlich gestiegener Wohnkosten „aufkommensneutral“ zu gestalten. Mit anderen Worten: die Einnahmen der Kommunen sollten auch nach der Reform die deutschlandweite Gesamtsumme von rund 14 Milliarden Euro nicht überschreiten.
Das Problem liegt nun in dem Wort „Gesamtsumme“. Dass die Einnahmen der Grundsteuer im Ganzen gleich bleiben sollen, schließt nicht aus, dass die Steuer in bestimmten Quartieren steigt und in anderen sinkt. Der Grund dafür ist die unterschiedliche Entwicklung der Grundstückspreise. So sind diese in einem angesagten Stadtteil wie Eimsbüttel in den vergangenen Jahrzehnten deutlich stärker gestiegen als beispielsweise in Jenfeld.
Den größten Streit unter den Parteien gibt es deshalb darüber, ob bei der Berechnung der Grundsteuer der Wert eines Grundstücks, das „Wertemodell“, oder ausschließlich dessen Fläche, das „Flächenmodell“, berücksichtigt werden sollte. Im Gegensatz zum Wert blieb die Grundstücksfläche unverändert. Als der heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) noch Hamburgs Erster Bürgermeister war, lehnte er das „Wertemodell“ vehement ab, wohl wissend, dass vor allem in Hamburg die Grundstückswerte deutlich gestiegen waren.
Als Bundesminister brachte er hingegen vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der das „Wertemodell“ favorisiert. Allerdings enthält der Entwurf eine Öffnungsklausel, die es den Bundesländern ermöglicht, eigene Kriterien für die Erhebung der Grundsteuer festzulegen. Neben Bayern denken Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen und Niedersachsen darüber nach. Sie wollen ein Modell, das Steuererhöhungen grundsätzlich vermeidet. Damit läuft es in diesen Bundesländern auf das „Flächenmodell“ hinaus.
Die Hamburger Wohnungsgenossenschaften werben für das Flächenmodell und erwarten vom Senat, dass er die Öffnungsklausel nutzt. Sie fürchten, dass Hamburgerinnen und Hamburger deutlich mehr an Grundsteuer bezahlen müssen, wenn der Grundstückswert zur Berechnung herangezogen wird. Benachteiligt würden besonders jene, die in Genossenschaftswohnungen in nachgefragten Stadtvierteln wie Altona oder Eimsbüttel leben. Sie müssten mit einem kräftigen Aufschlag rechnen.
Nun mag mancher sagen, es sei nur gerecht, wenn ein teures Grundstück höher besteuert wird als ein weniger teures. Damit aber würde die Grundsteuer zu einer Abgabe, die soziale Unterschiede ausgleichen soll. Dafür ist die Grundsteuer allerdings nicht gedacht: sie soll dem Staat Geld für die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Deren Kosten sind in ganz Hamburg in allen Quartieren ähnlich.
Auch die Idee, wonach Vermietern künftig untersagt werden sollte, die Grundsteuer als Nebenkosten den Mieterinnen und Mietern in Rechnung zu stellen, würden Genossenschaftsmitgliedern nicht helfen. Sie sind über ihre Mitgliedschaft Teilbesitzer ihrer Wohnung. Würde die Grundsteuer nicht mehr als Nebenkosten geltend gemacht, müsste die Genossenschaft die jährliche Dividende oder Investitionen für die Instandhaltung oder die Modernisierung kürzen.
Die Grundsteuer
Die Grundsteuer ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum. Gesetzliche Grundlage der Grundsteuer ist das Grundsteuergesetz. Auf den von der Finanzbehörde festgestellten Einheitswert wird nach Feststellung des Grundsteuer Messbetrags ein je Gemeinde individueller Hebesatz angewendet. Durch Anwendung verschiedener Hebesätze fällt die Grundsteuerbelastung trotz gleicher Einheitswerte in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich hoch aus. Die Grundsteuer ist eine der ältesten bekannten Steuerarten und wurde ursprünglich als kirchlicher und grundherrlicher Grundzehnt und Grundzins eingetrieben.