5 Die Stimmung war gut, Anfang Juli im Hamburger Rathaus. Als Vertreter von Stadt, der Bezirke und Wohnungswirt- schaft in aller Öffentlichkeit das neue Bündnis für das Wohnen unter- schrieben. Mehr als ein Jahr nach der Bür- gerschaftswahl hatte man um die Bündnis- inhalte gerungen. Über eines allerdings waren sich alle Beteiligten rasch einig: Auch in der kommenden Legislaturperio- de sollen Jahr für Jahr rund 10.000 Woh- nungen – mindestens 3.000 davon öffent- lich gefördert – gebaut werden. Es ist vor allem der rot-grüne Senat, der diese Zahl in den Vordergrund stellt. Den Fachleuten hingegen ist klar, dass die Absicht, Jahr für Jahr eine so große Zahl von Wohnungen zu errichten, eine echte Herausforderung darstellt. Der Grund: Es mangelt zunehmend an Bauflächen. Die- ser Mangel ist paradoxerweise eine Folge des boomenden Wohnungsbaus in den vergangenen zehn Jahren. Fast 100.000 Wohnungen wurden seit 2011 in Hamburg errichtet. Kostengünstige Baugrundstücke sind bebaut Das habe dazu geführt, dass „alle leicht erreichbaren Früchte inzwischen gepflückt sind“, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungs- unternehmen, dem die meisten Hambur- ger Genossenschaften angehören. Will heißen: Jene Grundstücke, die sich leicht und kostengünstig erschließen ließen, sind längst bebaut. Pergolenviertel, Neue Mitte Altona, Lokstedt, HafenCity, Neu- graben-Fischbek – es gibt kaum einen Stadtteil in der Hansestadt, in dem Woh- nungsbaugenossenschaften in den ver- gangenen Jahren keine bezahlbaren Woh- nungen errichtet haben. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte ist nachvollziehbar, dass Baugrundstücke, die jetzt von der Stadt angeboten werden, schwieriger – und damit kostspieliger – zu bebauen sind. Natürlich bieten Hamburgs Osten, der Kleine Grasbrook oder Wil- helmsburg große Potenziale. Aber mal ist „Für Unternehmen, die Wohnraum zu bezahlbaren Preisen anbieten, ist es nur noch in Ausnahmen möglich, guten Gewissens ein Bauprojekt zu starten.“ es der schwierige Baugrund, der die Be- bauung teurer werden lässt, mal ist es die fehlende Infrastruktur. Dass die Stadt Bau- grundstücke künftig vor allem im Wege des Erbbaurechts vergeben will, macht die Angelegenheit nicht einfacher. Eine Folge der Grundstücksknappheit sind steigende Bodenpreise: 850 Euro müsse ein Wohnungsunternehmen im Durchschnitt inzwischen in Hamburg für einen Quadratmeter Bauland bezahlen, hat die Arbeitsgemeinschaft für zeitge- mäßes Bauen (Arge) im Auftrag der Stadt ausgerechnet. Wobei oftmals die 1.000-Eu- ro-Schwelle überschritten wird. Zwischen 2016 und 2020 haben sich die Kosten für ein Baugrundstück um fast 30 Prozent er- höht. Zum Vergleich: Die Lebenshaltungs- kosten stiegen in diesem Zeitraum um 5,5 Prozent. Atemberaubender Anstieg der Baukosten Und als würde das alles noch nicht rei- chen, erleben die Wohnungsgenossen- schaften in diesen Tagen einen geradezu atemberaubenden Anstieg der Baukosten: Seit gut einem Jahr sind die Preise für Latt- und Schalholz sowie für Holzfaserdämm- stoffe um bis zu 100 Prozent, mancherorts sogar um 200 Prozent gestiegen. Beton- stahl verteuerte sich um bis zu 35 Prozent, Bitumen um bis zu 45 Prozent. Hinzu kom- men Lieferengpässe aufgrund der Coro- na-Pandemie. Dieser sprunghafte Anstieg setzt auf bereits seit Jahren kontinuierlich steigende Baupreise auf. Als Folge müssen derzeit in Hamburg für den Bau einer Wohnung im Durchschnitt mehr als 4.000 Euro pro Quadratmeter bezahlt werden. Das be- deutet: Eine Genossenschaft muss bei einem Neubau im Monat eigentlich mehr als zwölf Euro pro Quadratmeter an Kalt- miete fordern. Für Unternehmen, die Wohnraum zu bezahlbaren Preisen anbieten, ist es so in- zwischen nur noch in Ausnahmen mög- lich, guten Gewissens ein Bauprojekt zu starten. Wer am Ende dauerhaft nicht mehr als acht bis zehn Euro Miete pro Quadratmeter nehmen will, hat derzeit kaum eine Chance, wenn er nicht seh- enden Auges in die roten Zahlen mar- schieren und damit das eigene Unterneh- men gefährden will. Hohe Baukosten gefährden den Bau bezahlbarer Wohnungen Diese hohen Kosten machen es schwie- riger, bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Umso höher ist zu bewerten, dass Woh- nungsgenossenschaften in ihrem Bemü- hen, bezahlbaren Wohnraum zu errichten, nicht nachlassen. Richtfeste des Woh- nungsvereins 1902, der HANSA Baugenos- senschaft oder des Altonaer Bau- und Sparvereins in den vergangenen Wochen legen darüber beredtes Zeugnis ab. Allerdings – und darin sind sich die Ex- perten einig – droht in den kommenden Jahren ein Nachlassen beim Neubau, wenn die Preisentwicklung so weitergeht. Denn gerade die sozialen Vermieter müssen aufs Geld achten, da sie ihre Mieten nicht mas- siv steigern können – und wollen. AUSGABE WINTER 2021