Christian Klepp, Klimaforscher und Naturfotograf, wohnt in Stellingen in einer Wohnanlage der Gartenstadt Wandsbek e. G. „Wir müssen nicht zurück in die Steinzeit, sondern einfach nur bewusster handeln“ Ich fahre grundsätzlich alle Strecken innerhalb von Hamburg mit dem Fahrrad – vor allem natürlich, um den Ausstoß von CO2 zu minimieren, aber auch, um meiner Gesundheit einen Gefallen zu tun. Als Me- teorologe, Klimaforscher und Landschaftsfotograf ist mir das Wetter dabei relativ egal; ich sitze auch bei Regen, Sturm oder Schnee im Sattel. Regen- poncho, Fahrradhelm und Outdoorhose an, los geht’s! Man ist schneller, flexibler, muss keinen Park- platz suchen – die Vorteile sind einfach immens. Eigentlich mache ich das schon seit meiner Schul- zeit so, als mir klar wurde, dass man sich um das Wohl der Erde kümmern muss. Ich bin gefühlt in den Alpen aufgewachsen, wo meine Eltern mit mir die Sommerurlaube verbrachten. So hat sich mir die Liebe zum Planeten ins Herz gepflanzt, und schon damals habe ich beschlossen, so wenig CO2 wie möglich auszustoßen. Für einen Wissenschaft- ler auf Expedition ist das nicht immer einfach, denn natürlich hat man einen katastrophalen CO2-Fuß- abdruck, wenn man regelmäßig in exotische Winkel der Erde fliegt oder monatelang mit dem For- schungseisbrecher in der Arktis unterwegs ist. Aber immerhin dienen diese Aufenthalte der Forschung und der Aufklärung der Allgemeinheit. Und deshalb finde ich es natürlich umso wich- tiger, das alltägliche Handeln zu hinterfragen. Zu fragen: Ist das, was ich von Situation zu Situation entscheide und tue, notwendig und verantwortbar im Sinne des Planeten? Mein Auto nutze ich in der Stadt so gut wie nie. Ganz abgeschafft habe ich den Wagen bisher nicht, denn er dient mir und meinem Equipment auf Fotoreisen als rollendes Hotel – was wiederum CO2 spart, weil ich vor Ort nicht zwischen Unterbringung und Foto-Location hin- und herfahren muss. Das Auto ist schon sehr alt, aber ich habe es auf den neuesten Motoren- stand nachrüsten lassen. Außerdem steht es rost- 9 geschützt in der Garage und wird so sicher noch viele Jahre halten. Wenn ich es doch einmal in der Stadt benutze, dann nur, um sperrige Ausrüstung oder großformatige Galeriefotografien zu transportieren. Es ist ja nicht so, dass wir zurück in die Höhle ziehen und am Lagerfeuer sitzen sollen. Wir helfen dem Klima auch, wenn wir Dinge bewusst kaufen und lange nutzen. Das ist für mich Nachhaltigkeit. Selbst das Fliegen muss man nicht per se verbieten, aber wenn irgendeine Billig-Airline ein 19-Euro-Ti- cket nach London anbietet, sollte das nicht der Anlass sein, nach London zu fliegen. War es immer schon mein Traum, London zu sehen, dann hat eine wohlüberlegte Flugreise dorthin Nutzen und Sinn. Aber bitte nicht als Selbstzweck aus der Spaßge- sellschaft heraus oder aus reiner Schnäppchengier! Den ÖPNV nutze ich eigentlich kaum, weil ich ein solcher Fahrrad-Fan bin – aber die neuen Fahr- zeug-Sharing-Konzepte und Mobildienste, zumin- dest die, die auch regional angeboten werden, interessieren mich schon. Ich finde die Idee sehr unterstützenswert, das eigene Auto abzuschaffen und Mobilität als flexible Dienstleistung so in An- spruch zu nehmen, wie man sie braucht. Für meine Reisereportagen könnte ich einen Bulli leihen, für den Bildertransport zur Ausstellung reicht ein ganz normaler Kombi. Wahrscheinlich werde ich es so lösen, sobald mein eigenes Auto irgendwann den Geist aufgibt oder die Reparatur zu teuer wird. Ein neues kaufe ich mir dann eher nicht, denn es stimmt natürlich, dass wir den Individualverkehr herunterdrosseln müssen. Deshalb fand ich auch das 9-Euro-Ticket als Konzept toll. Wenn viele Menschen den ÖPNV so attraktiv finden, dass sie ihr Auto stehen lassen, hilft das ungemein. Nach 20 Jahren internationaler Klimaforschung und eigenen Forschungsprojekten vermittele ich inzwischen als Selbstständiger mein Wissen an die Öffentlichkeit: mit einer Kombination aus meiner Landschaftsfotografie und Vorträgen zu Erdsystem und Klimaschutz. Klimakrise, Krieg, Corona – gerade jetzt stecken viele Menschen resigniert den Kopf in den Sand. Aber genau deshalb muss man sie moti- vieren und ihnen zeigen, wie wunderschön und schützenswert der Planet nach wie vor ist. Jede noch so kleine Tat ist wertvoll. Übrigens auch: das Wasser ausschalten beim Zähneputzen, Streublu- menwiesen im Garten und, ganz wichtig, systema- tisch die Heizung ein Grad kühler stellen. Das ist der größte Faktor, noch vor Flug- und Autoverkehr. Wenn das jeder machen würde, könnten wir als Menschheit immens viel CO2 einsparen. A U S G A B E H E R B ST 2 02 2 i i k s n m a K e n d a N i : e l l o k o t o r P